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Glaube Liebe Hoffnung


(Kom?-)Plot

 

Eine freie Regisseurin inszeniert am Mainfrankentheater Würzburg das Stück »Glaube Liebe Hoffnung« von Ödön von Horvath. In diese Inszenierung bezieht sie mittels eines Castings Erwerbslose als Quasi-Statisten mit ein. Beim Casting macht sie die Bekanntschaft mit der Gruppe SELAWÜ (Solidarische ErwerbsLose Aktiv in Würzburg). SELAWÜ wird auch in die Inszenierung mit einbezogen: Die Erwerbsloseninitiative darf einen Informationsstand im Foyer betreiben und die Aktionstheatergruppe von SELAWÜ darf in der Pause ein Stück im Foyer aufführen. So wird es während einer Sitzung im ver.di-Büro Würzburg in Anwesenheit eines Gewerkschaftssekretärs vereinbart.

 

Nachdem der Intendant großkotzig ein Vorgespräch platzen läßt und SELAWÜ in keinster Weise in die Pressekonferenz mit einbezogen wird, bekommt das Mainfrankentheater bei der Matinée von »Glaube Liebe Hoffnung« Probleme mit dem Genre Aktionstheater: Die Spontaneität paßt nicht ins bürgerlich-bürokratische Konzept. Wutentbrannt droht die Regisseurin (unter Zuhilfenahme der Dramaturgin) mit dem Abbruch der künstlerischen Zusammenarbeit und verlangt absolute Offenlegung jeden Furzes. Die Aktionstheatergruppe nimmt das Begehren zur Kenntnis.

 

Nach der Première kommt es zum Eklat: Die ProtagonistInnen des inszenierungskritischen Aktionstheaterstückes werden zwar vor der Aufführung bei einer Probe von der Dramaturgin bespitzelt, haben aber ein Detail nicht offengelegt.

 

Bei einem weiteren »Gerichtstermin« in einem häßlichen Strafkämmerlein des Mainfrankentheaters fühlt sich der Intendant nun doch bemüßigt, einen kurzen, aber rauschenden Auftritt hinzulegen. Es wird hitzig darüber debattiert, ob das nicht offengelegte Detail nun ein Furz war oder nicht.

 

In einer sehr unglücklichen Formulierung vergleicht der Intendant das von der Aktionstheatergruppe in Zukunft schlimmstenfalls zu Erwartende mit den Handlungen von Sexualtriebtätern der übelsten Sorte. (Potentieller SuperGAU: »Kinderpornofilme im Foyer.«) Es gibt einen heftigen Schlagabtausch – wie durch ein Wunder endet aber alles mit Friede-Freude-Eierkuchen-Stimmung und Fortführung der Zusammenarbeit.  Und – mit der Vereinbarung eines klärenden Gesprächs im ver.di-Büro, in dem die aufgetretenen Zusammenstöße einer Analyse unterzogen werden sollen.

 

Als der Termin gekommen ist, zu dem die beteiligte Dramaturgin diskriminierend wenig Zeit mitbringt,  kommt es wegen eines Thesenpapiers, das ein SELAWÜ- und Aktionstheater-Mitglied zur Sitzung vorlegt, zum endgültigen Bruch: Während einer Schreierei sondergleichen, bei der ein vermittelnder Gewerkschaftssekretär und ein Mitglied des ver.di-Ortsvorstands Kunst / Medien beteiligt sind, wird SELAWÜ samt Aktionstheatergruppe (bzw. umgekehrt) aus dem Mainfrankentheater verbannt.

 

Da SELAWÜ in zwei Flügel gespalten ist, wird nun eine Weile auf Zeit gespielt.

 

Am Tag, als das Mainfrankentheater gönnerhaft Freikarten für Erwerbslose spendet, »stört« die Aktionstheatergruppe so gekonnt das Stück, daß viele Zuschauer gar nicht erkennen, daß die Einlage nicht zum Stück gehört oder aber – wie sich im späteren offiziellen Publikumsgespräch herausstellt – diese besser finden als das Stück. Einige Zuschauer wiederum sind entrüstet, wie beim Flyerverteilen nach dem Stück deutlich wird. Viele verstehen und interessieren sich für die Protestaktion.

 

Das Nachspiel: Eine avisierte Hospitanz im Mainfrankentheater geht flöten. Schauspieler und Regisseure eines Off-Theaters, zu dem einige SELAWÜ-Mitglieder engeren Kontakt haben, befürchten eine Art Sippensanktion, sprich: aufgrund der Aktion im Mainfrankentheater keinen Fuß mehr fassen zu können. (!!! Nicht erfunden.) Ein Gewerkschaftssekretär zieht einen zugesagten finanziellen Zuschuß zurück und die Empfehlung für einen weiteren. Der zweite Zuschuß wird trotz zurückgezogener Empfehlung zuguterletzt gewährt.  Der Betriebsratsvorsitzende des Mainfrankentheaters, der durch den Ortsvorstand ver.di Kunst/ Medien um ein Gespräch mit der Aktionstheatergruppe gebeten wird, rastet auf diesen Wunsch hin komplett aus und verweigert kategorisch jede Kommunikation.