Wanted!|Exposé|Konzept|MedienInfos|Historie|BeNarO|InSpiratio|Beggies|
Schriftverkehr|Flyer&Co|Beteiligte|Presseecho|Programm|Zurück zu BEGSTAGE


Exposé


Begstage


Das »Bettelnarrenprojekt«

Motto:

Medicus Mendicus!*


Ein närrisch-ernstes Kunstprojekt der L'Art pour L'Art-Initiative »Bettelnarrenorden«

Geplanter Höhepunkt (Beg-in-Aktionswoche): Termin CSD bis Bürgermahlzeit August 2004 (23. bis 29. August)



Exposé:

Der deutsche Sozialstaat ist am Ende. Die Einsparungen treffen besonders hart die engverknüpften Bereiche Soziales und Kultur, die in einem kapitalistischen System immer subventionsbedürftig sind, denn das Kapital kennt keinen Wert außer sich selbst. Die Kunst - vor allem die nicht etablierte Kunst - wird buchstäblich immer mehr an den Bettelstab gebracht. Die Kunstschaffenden, die zu ihrem Leidwesen ohnehin immer nach dem raren Gold der Sponsoren schürfen müssen, klagen allerorten. Sie wissen allerdings noch nicht so recht, wie sie mit dieser Situation adäquat umgehen sollen.

Hier legt der Medicus Mendicus, »der Arzt als Bettler« seinen homöopathischen Finger auf die Wunde und sagt: Wenn du am Bettelstab leidest, kuriere dich mit ihm!

In einer großangelegten gedanklichen und mimischen Meditation über das Phänomen BETTELN wird die aporetische Situation der zeitgenössischen Kunst und Kultur an einen Scheideweg gebracht: Im virtuellen Durchspielen eines neuen Weltentwurfs werden notwendig satirisch anmutende Existenzsicherungsmodelle heraufbeschworen, die so unmöglich sind, wie die Welt, die sie erzeugt. Auf die Bretter des Theatrum mundi wird - im besten Falle mit Hilfe von vielen Schauspielern bzw. Künstlern und Statisten - die Vision eines »Bettelnarrenordens« gestellt, der es sich zur Aufgabe macht, das Betteln salonfähig zu machen, es zu einem ehrbaren Berufsstand zu erheben, ja, mehr noch: zur Kunst.

Das ist im Prinzip so ganz neu nicht, denn schließlich - beg to the roots! - hat die christliche Kirche sich im Mittelalter nicht zuletzt durch die Aktivitäten ihrer vielen Bettelorden zu dem Reichtum verholfen, aus dem sie noch heute schöpfen kann. Das Neue ist vielmehr, daß die reformerische Bewegung diesmal nicht aus dem Haus der Religion kommt, sondern aus dem Haus der Kunst (womit mitnichten das münchnerische gemeint sein soll). Durch diese entscheidende Verlagerung wird das, was als Realität in Sektenwahn ausarten könnte, zu einer gespielten und rollenkontrollierten »Vor-Stellung«, die nicht an dogmatischer Idealisierung, sondern an thetralisch perfekter Konkretisierung interessiert ist.

Die Thesenanschläge des dritten Jahrtausends finden nicht mehr an Kirchen, sondern an Museen und Theatern statt. Die Kunst muß endgültig raus aus den verstaubten Räumen, muß auf die Straße, muß in die Stadt - in die POLIS! - und somit im wahrsten Sinne des Wortes endlich POLITISCH werden. Die Kunst muß endlich großes Theater machen, Theater mitten in der Stadt - »Stadt-Theater«.

Freilich, vereinzelt hat es immer wieder solche Vorstöße gegeben - Happenings, Aktions-Kunst, freche Provokationen ohne Ende - aber noch niemals in wirklich großem Stil. Entweder verbleiben die großen Dinge auf der Ebene der Ästhetik (Christo), oder der Ertrag ist wieder nur Eliten zugänglich (Restpfennig-Aktion). Bis jetzt hat noch niemand - nicht einmal Schlingensief - das organisierte Durchbrechen der Künstler-Crux geschafft: auf oftmals schwer zugängliche und von Richtlinien umgitterte Subventionen, Fördermittel oder Zuschüsse aller Art sowie macht- oder körperhungrige Mäzene angewiesen zu sein. Ist das Betteln erst ein zünftiges Handwerk und ein eigener Berufsstand, für den es nicht nur Prüfung und Diplome gibt, sondern auch ein versteuerbares Einkommen, sieht die Sache schon ganz anders aus. Und ein zünftiger Bettelnarr in Standestracht unter dem Schutze eines »Bettelnarrenordens« hat natürlich ganz andere Handlungsspielräume als ein armseliger Individualbettler mit zwielichtiger CI, dem in der Regel sehr schnell die Tür gewiesen wird, sofern er - vornehmlich als Künstler - überhaupt den Mut aufbringt, an sie zu klopfen.

In die inszenierten Fragen: Was überhaupt ist Betteln? und: Was könnte Betteln eigentlich sein? werden durch schriftliche Befragung, visuell oder auditiv festgehaltene Interviews, eine Podiums-Diskussion und Kunst-Aktionen die Bundesagentur für Arbeit, die Handwerkskammern, Juristen, Ämter, Stadtstreicher, Diebe, Politiker, Soziale, Asoziale, Kinder und Gelehrte involviert. Und für die Frage: Wie gründe ich einen Bettelnarrenorden? wird uns sicher der Bischof von Würzburg oder gar der Papst eine Audienz gewähren.

Eines ist jedenfalls abzusehen: Sollte sich das Modell »Bettelnarr« in Zukunft nicht etablieren, wird sich der Staat sehr bald um das Berufsbild des »Räubers« und dessen Sozialisierung kümmern müssen. Denn wenn die Grenze des Existenzminimums auf unerträgliche Weise unterschritten wird, hört der Spaß irgendwann dann eben doch auf.





Kontakt:

theater ensemble Würzburg (0931 / 4 45 45)

Würzburger Künstlerinitiative Salon 77 e.V. (0931 / 88 71 13)

Heike Pauline Grauf (0931 / 250 90 281)